Offizielle Bestandserfassung Steinwild

Steinbock auf grüner Wiese vor Alpenpanorama.

© Kudernatsch, T.

In Bayern wird der Steinwildbestand schon seit Jahren intensiv beobachtet. Steinböcke kommen in den Landkreisen Bad Tölz, Rosenheim, Miesbach, im Oberallgäu und im Ostallgäu, sowie im Kerngebiet des Nationalparks Berchtesgaden vor.
Generell wird in Bayern beim Thema Steinwild auf enge Zusammenarbeit aller betroffenen Interessensgruppen gesetzt. Die Landratsämter der betroffenen Landkreise arbeiten eng mit den Bayerischen Staatsforsten, den betroffenen Nationalparken des Alpenraums, sowie Revierinhabern, Hegegemeinschaftsleitern und Naturschützern zusammen. So kann der Bestand jährlich erfasst werden.
Das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat 2016 die gesammelten Daten zusammengetragen und ausgewertet. Solch eine Aufstellung gab es zuletzt 2010.

Offizielle Bestandserfassung 2016: Fast 800 Steinböcke gezählt

Landkarte Südbayerns mit sechs rot eingefärbten Landkreisen. Rote Landkreise bedeuten, dass es dort Steinwildvorkommen 2016 gibt.

Der Erfolg dieses Konzepts zeigt sich eindeutig, denn der bayerische Steinbockbestand hat in den letzten fünf Jahren deutlich zugenommen. Während 2010 rund 450 Tiere gezählt wurden, waren es im Frühsommer 2016 bereits knapp 800 Stück. Dieser Populationsanstieg um etwa 40% zeigt, dass in Bayern durchaus geeignete Lebensräume für die großen Hochgebirgsbewohner zu finden sind.
Allen beteiligten Interessensgruppen ist daran gelegen, dass die bayerischen Steinböcke auch in Zukunft gute Lebensbedingungen in unseren Bergen vorfinden. Aus den jährlichen Zählungen gewonnene Kenntnisse werden auch in Zukunft wichtige Informationen über die Bestandsentwicklung bereitstellen.

Monitoring der bayerischen Steinbockpopulationen

Landkarte mit zwei rot eingefärbten Landkreisen. Dies bedeutet, dass dort Steinwild vorkommt.

Landkreise Ober- und Ostallgäu (© LfL)

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Landkarte mit drei rot eingefärbten Landkreisen. Dies bedeutet, dass dort Steinwild vorkommt.

Landkreise Miesbach, Rosenheim u. Bad Tölz (© LfL)

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Landkarte mit einem rot eingefärbten Landkreisen. Dies bedeutet, dass dort Steinwild vorkommt.

Landkreis Berchtesgadener-Land (© LfL)

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Die bayerischen Steinwildkolonien – von geschlossenen Gesellschaften und Grenzgängern

Die Kernlebensräume des Steinwildes sind die Kammlagen der Hochgebirge. Durch diese Spezialisierung auf einen so extremen Lebensraum ist Steinwild recht unregelmäßig und nur inselartig verbreitet. Tiefe Täler und ausgedehnte Wälder stellen ein Ausbreitungshindernis dar.

Geschlossene Gesellschaft

Die Kolonie in der Benediktenwand/Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen ist isoliert. Die nächste Population befindet sich im Gebiet um die Mondscheinspitze/Tirol. Eine Verbindung zwischen beiden Kolonien wird derzeit nicht vermutet. Daher stellt sich die Frage, ob die Isolation sich messbar auf die genetische Ausstattung auswirkt und ob die Krankheitsanfälligkeit der Kolonie möglicherweise zunimmt.
Um genauere Informationen zur Situation der Population zu erhalten, werden an der Universität Zürich seit Herbst 2010 genetische Untersuchungen an der Tölzer Kolonie durchführen. Bereits seit 2012 zeichnete sich nach diesen Studien ab, dass die genetische Vielfalt der Population an der Benediktenwand geringer ist, als in untersuchten Steinwildkolonien der Schweiz. Dies liegt an der beständigen Isolation der Tiere, was zu einem relativ hohen Inzuchtanteil führt.
Degenerative Erscheinungen an den Nachkommen konnten bislang aber noch nicht nachgewiesen werden.

Grenzgänger

Im Gegensatz zur Tölzer Kolonie stammt das Steinwild im Oberallgäu und im Ostallgäu, vermutlich aus größeren Ursprungspopulationen in Österreich und wandert je nach Jahreszeit und Wetterlage zwischen Bayern und Tirol / Vorarlberg hin und her. Ebenso in den Landkreisen Rosenheim und Miesbach. Hier sind die Steinböcke echte Grenzgänger, die sowohl zwischen den Landkreisen als auch international zwischen Bayern und Tirol unterwegs sind. Auch die im Nationalpark Berchtesgaden ansässigen Steinböcke gehören zu einer grenzüberschreitenden Population des Hagengebirges und Steinernen Meeres.

Risiken für unsere Steinböcke – Räude und Co.

Mit Hilfe von Zählungen und Beobachtungen konnte festgestellt werden, dass Krankheitsübertragung bei der Bestandsentwicklung des Steinbocks bislang keine Rolle spielt. Tritt beispielsweise Räude auf, werden befallene Stücke zeitnah erlegt. Nur so kann die Gesunderhaltung der Population gesichert werden, da Räude im Steinwildrudel durch Kontakt mit erkrankten Tieren oder durch die Nutzung derselben Ruheplätze übertragen wird und so ganze Rudel ausgelöscht werden können.
Auch wurden Hybridisierung mit Hausziegen oder Verdrängung von Gämsen aus ihrem Lebensraum durch die Präsenz von Steinwild bisher nicht zum Thema. Beide Arten leben beispielsweise an der Benediktenwand problemlos nebeneinander. Schon allein durch die Lebensraumwahl des Steinwilds, kommt es kaum zu erwähnenswerten Tritt- beziehungsweise Wildschäden.

Die bayerischen Kolonien im Detail - Bad Tölz

Steinböcke im Kampf gegeneinander.Zoombild vorhanden

© Riccardo Dalle Luche-Fotolia.com

Für Bad Tölz liegen detaillierte Kenntnisse über die Steinwildpopulation in der Benediktenwand vor:
Zunächst wurde 1959 im benachbarten Tirol ein Steinwildrudel aus Schweizer Wildfängen ausgesetzt. In den darauffolgenden Jahren gab es immer wieder selbstständige Zuwanderung von Einzeltieren nach Bayern sowie einige Auswilderungsaktionen, die die Kolonie an der Benediktenwand begründeten.
Im Juli 1967 wurden zwei einjährige Böcke und Geißen aus dem Wildpark "Peter und Paul" in St. Gallen ausgewildert und im Juli 1971 ein dreijähriger Bock und zwei einjährige Geißen. Die Kolonie an der Benediktenwand vermehrt sich seit den 1970er Jahren gut und besteht nun schon fast 60 Jahre. Im Juni 2016 wurden 74 Tiere in der Wand gezählt. Diese Zählungen führen seit 1989 die Untere Jagdbehörde und die Hochwildhegegemeinschaft "Isarwinkel" in der Regel einmal im Jahr durch. Betroffene Revierinhaber, sowie der BaySF Forstbetrieb Bad Tölz (Revier Isarwinkel), die Untere Jagdbehörde und die Jagdberater beteiligen sich an der Datenerhebung. Hochwildhegegemeinschaftsleiter und Jagdberater werten die Bögen hinsichtlich Doppelsichtungen aus und ermitteln den Bestand.

Rosenheim

Ein Steinwild Weibchen sitzt mit ihrem Jungen auf einem FelsenZoombild vorhanden

© Canonist06-Fotolia.com

Im Landkreis Rosenheim lebt Steinwild in den Gemeinden Kiefersfelden und Oberaudorf. Diese Tiere wechseln gelegentlich auch in den Landkreis Miesbach, wo Steinwild dann sporadisch auftritt. Zusammen umfasst die Population etwa 20 Stück Steinwild. Es wurden lediglich Tiere der mittleren und oberen Altersklassen erfasst, dabei wurden 12 Geißen und 8 Böcke gezählt.
Der Bestand begründet sich auf der Auswilderung von fünf Tieren. Außerdem ziehen vereinzelte Tiere selbständig zu und stammen vermutlich aus dem benachbarten Mangfallgebirge in Tirol. Hier führen Revierinhaber, das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, die Bayerischen Staatsforsten und die Hegegemeinschaftsleiter mit Beteiligung der Unteren Jagdbehörde Zählungen durch. Die Rosenheimer/Miesbacher Population wird in der Regel einmal jährlich, im Juli/August an einem vereinbarten Stichtag revierübergreifend gezählt. Die Zählenden sitzen dann verteilt im Bereich und erfassen die Ergebnisse in Listen mit Uhrzeit und Bewegungsrichtung zweimal am Tag (morgens und abends). Der örtliche Revierjagdmeister fasst die Daten zusammen.

Oberallgäu

ein weiblicher Steinbock steht auf einer grünen alpinen Wieser mit Felsen.Zoombild vorhanden

© L.Bouvier-Fotolia.com

In den 1960ern und 1970ern wurden einzelne Tiere im Oberallgäu sowie etwa 70 Tiere im unmittelbar benachbarten österreichischen Lechtal und Kleinwalsertal ausgewildert. Im Juli 2015 wurden im Landkreis Oberstdorf 441 Stück Steinwild gezählt. Dabei wurden generell etwas mehr weibliche als männliche Tiere gezählt. Die genauen Bestandszahlen schwanken relativ stark, da eine dauerhafte Verbindung mit den Beständen auf österreichischer Seite besteht. Zählungen erfolgen daher stets in Absprache mit den benachbarten Bundesländern Tirol und Vorarlberg. Hierzu wird ein einheitlicher Zähltermin festgelegt und Zählblätter an die in den Steinwildlebensräumen liegenden Reviere versandt. Die Untere Jagdbehörde und die Hochwildhegegemeinschaft Sonthofen veranlassen gemeinsam die Zählungen. Die Ergebnisse werden an die Regierung von Schwaben gemeldet.

Ostallgäu

Zwei Steinböcke stehen hintereinander, seitlich fotografiert.Zoombild vorhanden

© Thier-Fotolia.com

Im Ostallgäu sucht Steinwild lediglich gelegentlich im Sommer seinen Lebensraum. In der Gemeinde Schwangau leben in den Sommermonaten vermutlich zwischen fünf und zehn Stück Steinwild. Die Tiere wandern selbständig zu. Hier liefern Fallwildvorkommnisse und Beobachtungen von Berufsjägern auf regelmäßigen Begehungen Informationen.

Nationalpark Berchtesgaden

Ein Steinbock frisst auf einer alpinen WieseZoombild vorhanden

© Berggeist007/pixelio.de

Im Nationalpark Berchtesgaden ist die Geschichte des bayerischen Steinwilds ebenfalls gut bekannt:
Zwei Einbürgerungsaktionen erfolgten in den Jahren 1927 und 1944. Im Jahr 1924 wurde ein Gatter im Salzburger Blühnbachtal errichtet. Dort wurden elf Stücke Steinwild - fünf Böcke, vier Geißen, zwei Kitze – freigelassen. Ein weiteres Gatter im Kerngebiet des Nationalparks, der sogenannten Röth, wurde mit insgesamt 23 Stück Steinwild besiedelt, und zwar mit acht Böcken und 15 Geißen.
Alle 34 Tiere stammten aus dem Wildpark "Peter und Paul", aus den Zoos von Berlin und München sowie dem italienischen Aostatal und fanden sich nach kurzer Zeit zu einer Gesamtpopulation zusammen. Im April 2016 wurden auf bayerischer Seite 22 Stück Steinwild gezählt, da das Hauptüberwinterungsgebiet auf österreichischer Seite liegt. Es wurden 4 Jährlinge, 4 Böcke Klasse III (2-3 jährig), 3 Böcke Klasse II (4-9 jährig), 3 Böcke Klasse I (über 10 jährig) und 8 Geißen erfasst.
Im erst seit 2005 von Steinwild besiedelten Bereich des Watzmanns existieren geschätzt rund 14 Stück Steinwild. Dieses Areal wurde allerdings bei der Zählaktion nicht berücksichtigt.
Insgesamt ergibt sich für den Bereich Blühnbachtal-Hagengebirge-Steinernes Meer plus Watzmann damit eine Populationsgröße von rund 210 Stück. Dies ist die höchste Zahl, seit Gründung der Population.
Synchron mit der österreichischen "Steinwildhegegemeinschaft Blühnbach-Hagengebirge-Steinernes Meer" arrangiert die Nationalparkverwaltung jedes Jahr im April Zählungen. Die schwierige Erreichbarkeit und teilweise hohen Lawinengefahr im Zählgebiet zu dieser Jahreszeit, sowie der personelle Aufwand behindern die Erfassungen jedoch häufig.